Ein Interview mit unserem Designer und Kalligraphen Matthias
Was fasziniert dich an Typographie?
Schrift ist Kunst. Rein ästhetisch gesehen kann sie gut lesbar sein, um Inhalte zu vermitteln oder aber auch genau das Gegenteil – Inhalte verschlüsseln. Für mich ist absolut faszinierend, welche Gefühle Schrift wecken kann: schon einzelne Buchstaben wecken für jeden Einzelnen positive oder negative Assoziationen. Ein „A“ ist für den Einen ganz klar die Initiale seines Kindes, für den Anderen ist es eine zensierte Beleidigung „A…“. Der nächste hat Erfahrungen im amerikanischen Schulsystem und erinnert sich gerne an seine „A“s, das Äquivalent zur deutschen „1“. Manche sind von der Vielfalt der Bedeutungen einzelner Buchstaben überrascht und haben ein „Aaah“ im Kopf. Die Geschichte der Schriften in verschieden Kulturen sei hier natürlich auch erwähnt – das würde aber wohl den Umfang unseres Interviews sprengen. :)
Welche Bedeutung hat Typographie für dich als Designer?
Sie ist eines der wichtigsten Gestaltungselemente überhaupt. Bilder oder Grafiken können den Betrachter reizen, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Sobald das passiert, kommt immer die Typografie in irgendeiner Art und Weise zum Tragen.
Zudem hat Schrift einen maßgeblichen Anteil an der Gesamtgestaltung. Zur Veranschaulichung: würde man die Apple-Homepage mal nur in ComicSans setzen, könnte man versuchen was man will, aber die moderne Optik würde allein durch die Schrift verloren gehen. Zudem hilft sie ungemein, Inhalte zu gliedern; nicht umsonst gibt es das „Kleingedruckte“ oder die „Punchline“.
Welche Bedeutung hat Typographie für dich als Designer?
Sie ist eines der wichtigsten Gestaltungselemente überhaupt. Bilder oder Grafiken können den Betrachter reizen, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Sobald das passiert, kommt immer die Typografie in irgendeiner Art und Weise zum Tragen.
Zudem hat Schrift einen maßgeblichen Anteil an der Gesamtgestaltung. Zur Veranschaulichung: würde man die Apple-Homepage mal nur in ComicSans setzen, könnte man versuchen was man will, aber die moderne Optik würde allein durch die Schrift verloren gehen. Zudem hilft sie ungemein, Inhalte zu gliedern; nicht umsonst gibt es das „Kleingedruckte“ oder die „Punchline“.
Was ist gute Typographie?
Das hängt ganz von dem Zweck ab, den man mit ihr verfolgt. Ist der Zweck erfüllt, ist die Typographie gut.
Siehst du einen Unterschied im Einsatz von Typographie in Web und Print?
Natürlich, das ist allein schon dem Umstand geschuldet, dass Webseiten-User meist eine Armlänge von einem Bildschirm entfernt sitzen. Bei Print Produkten muss man oft auch schon die Betrachter-Sicht bei der Gestaltung einbeziehen. Bei der Plakat-, Roll-Up- oder Messegestaltung ist die Fernwirkung der Typografie entscheidend.
Ansonsten ist ganz klar, dass man als Grafiker bei Printproduktionen viel mehr seinen eigenen Qualitätsanspruch ausleben kann. Man begleitet ein Layout von Beginn an und gibt es oftmals selbst zur Druckerei. Bei einem Webprojekt geht das oft durch viele anderen Hände, sei es der Kunde, der selbst seine Inhalte auf der Webseite pflegt, oder ein Entwickler, der das Web-Layout umsetzt.
Ich stelle dabei die tollkühne Behauptung auf, dass diese sich oftmals nicht so tiefgehend mit der Thematik der Typografie auseinandergesetzt haben, wie es meiner Meinung nach ein guter Grafiker tun sollte. Das ist auch nicht ihr Job, aber als Grafiker muss man da schon ein paar Abstriche machen, was die eigenen Ansprüche angeht. Detailtypografie im Allgemeinen ist auch schon durch die Technik beschränkt. Kerning, also die Zwischenräume zwischen einzelnen Buchstaben, sind bei Printprodukten editierter, während man bei Webschriften dies nur an „globaler“ Stelle, für den gesamten Schriftfluss einstellbar ist. Mag jetzt etwas detailverliebt klingen, aber man sollte den Wirkungsgrad von Detailtypografie nicht unterschätzen.
Welchen Einfluss hat Kalligraphie auf deinen Blick auf Web-Typographie?
Keinen sehr großen. Obwohl ich es als Kalligraph natürlich sehr schön finde, dass auch seit einigen Jahren in Deutschland immer mehr „Handschriften“-Fonts bei Designs verwendet werden, würde ich nicht so weit gehen, diese als Kalligrafie zu bezeichnen. Das sind konstruierte Schriften. Damit man mit ihnen auf einer Tastatur schreiben kann oder Google die Texte erkennt, wurden quasi kalligrafische Elemente in ein statisches Korsett gezwängt. Ein „B“ wird immer gleich aussehen, egal wie oft man es schreibt. Bei der Kalligrafie kann man so viele „B“s schreiben, wie man will, keines wird genau dem anderen gleichen. Jeder Buchstabe hat seinen eigenen Charakter.
Oliver Reichenstein hat mal geschrieben: „Web design is 95% typography.“ Und James Young hat das später erweitert: „The responsive web will be 99,9% typography.“ Wie siehst du das?
Ich denke diese Aussagen wurden natürlich ein Stück weit so formuliert, um zu provozieren. Sie sollen die Wichtigkeit der Typografie im Web untermauern. Im responsiven Web ist diese natürlich noch wichtiger, da viele Bausteine eines Layouts oft aus Ladefreundlichkeit wegfallen, automatisch startende Videos oder extrem große Bilder etwa. Oder auch deshalb wegfallen, weil ein User auf einem mobilen Endgerät schneller zum Punkt der Information kommen will, als ein Desktop-User.
Ich fände es sicherlich auch reizvoll, anhand so eines Briefings mal ein rein typografisches Layout zu erstellen. Allerdings fände ich es auch schade, wenn diese Zahlen wirklich stimmen würden. Bilder und Grafiken sind tolle Wege, Emotionalität zu schaffen oder Inhalte leicht verständlich wiederzugeben. Das schafft eine Diversität, die es nicht geben würde, wenn 95 oder 99% der Webseiten nur aus Text bestehen würden.
Kissmetrics haben mal die “7 Deadly web design sins” aufgelistet – und das hier sind vier davon:
- Platz 1: zu kleine Schriften
- Platz 3: zu niedrige Kontraste
- Platz 4: Zeilenabstand zu gering >> Abwertung bei Google Mobile Index
- Platz 5: Zeilen zu lang >> führt zu Abbrüchen, weil als zu lang empfunden
Wie erlebst du das als Designer und typographisch sensibler Mensch?
Anhand von Zeilenabstand oder den Längen einer Zeile erkennt man Arbeiten von Typografie-Profis. Das sind einfach Standards, die einen wissenschaftlichen Background haben und einfach in der Wahrnehmungspsychologie belegt sind. Wenn Texte das nicht berücksichtigen, steige ich wie wahrscheinlich 90% aller Leser einfach aus – es macht dann keinen Unterschied, ob man Designer ist oder nicht.
Das Schriften im Web einen guten Kontrast haben sollten, um gut lesbar zu sein, sehe ich genauso. Bildschirme haben immer ihre ganz eigenen Kontrast- oder Helligkeitseinstellungen. Das sind Variablen, die man in seinem Layout nicht berücksichtigen kann, deshalb sollte für gute Lesbarkeit durch den Kontrast gewährleistet sein.
So eine pauschale Aussage über die Schriftgröße ärgert mich ein wenig. Da muss man auch etwas differenzieren. Wenn ich eine Webseite layoute, die Sehhilfen für Rentner anbietet, sehe ich ein, die Schrift dementsprechend anzupassen. Allerdings fände ich es grausam, wenn man nun bei allen Webseiten die Schrift nun dementsprechend an jegliche Sehbehinderung anpasst, damit auch diese potentiellen User auf einer Webseite bedient werden. So hebelt man ein Stück weit andere wichtige Teile der Typografie, wie etwa die Hierarchisierung aus.
Das wäre nicht zielführend, außerdem sollte man nicht vergessen, dass jeder Browser mit einer Zoomfunktion ausgestattet ist, die auch vielen Leuten geläufig ist, die nicht aus unserer Branche kommen. Leute mit schlechten Augen werden diese Funktion höchstwahrscheinlich kennen.
System-Fonts vs. Webfonts – was findest du im Webdesign besser?
Ganz klar Webfonts. Als Designer hat man da einfach einen größeren Pool an Schriften, aus denen man schöpfen kann.
Wo siehst du die Vorteile von OpenType Features im Webdesign?
Die sind ganz einfach zu erklären: sie helfen, die Inhalte im detailtypografischen Bereich verständlicher und besser darzustellen. Das hilft dem Betrachter, schneller und einfacher den Inhalt auch im Web zu verstehen. Ist der Leser zufrieden - ist es der Grafiker auch.
Wie schwer fällt es dir, Entwicklern die Bedeutung von Typographie zu vermitteln? Siehst du da Fortschritte?
Das kann ein schweres Thema sein, aber ich kann das auch nachvollziehen. Entwickler sitzen nun einmal fast den ganzen Tag vor Code. Das ist für die meisten Menschen nichts anderes als eine „Textwüste“. Ganz viele Zeilen mit Text, die sich meist weder in Schriftgröße oder Zeilenabstand unterscheiden. Zur Sortierung gibt es hier und da Einzüge, Klammern oder mal eine Leerzeile. Wenn man den ganzen Tag auf sowas schaut, gewöhnt sich das Auge einfach daran. Das ist eine ganz eigene Lesegewohnheit, die man sich dadurch aneignet. Dementsprechend schwer fällt es manchen Entwicklern, eine Sensibilität für eine ganz andere Leseästhetik zu entwickeln, die mehr allgemeingültig der Wahrnehmungspsychologie folgt. Aber auch hier wäre es falsch zu pauschalisieren, da ist jeder Entwickler eigen. Der Trend geht eher dahin, dass immer mehr Entwickler ein Verständnis für Typografie entwickeln. Was mich persönlich natürlich freut.
Welcher ist (im Moment) dein Lieblings-Font?
Die Publica Sans. Habe sie vor kurzem in einem älteren Layout von mir wiederentdeckt und fand sie einfach immer noch schön. Sie eignet sich einfach super für plakative Headlines.
Woher nimmst du typographische Inspiration?
Von überall, wo Schrift vorkommt. Das ist zum Glück auch fast überall. Selbst in abgelegenen Landstrichen findet man Ortsschilder, alte Gaststätten usw. die einen inspirieren können.